Gott spricht: "... und wenn mein Diener sich mir um eine Handspanne nähert, nähere ich mich ihm um eine Armlänge, und wenn er sich mir um eine Armlänge nähert, nähere ich mich ihm um zwei Armlängen, und wenn er zu mir gegangen kommt, komme ich zu ihm gelaufen."
Islam, Ausspruch des Propheten Muhammad (Hadith)

Er machte sich also auf und ging zu seinem Vater. Schon von weitem sah ihn sein Vater und ward von Erbarmen gerührt. Er eilte hin, fiel ihm um den Hals und küsste ihn.
Christentum, Evangelium nach Lukas 15:20 (Gleichnis vom verlorenen Sohn)

Aktuelles

?Ich habe gelernt, dass wenn man einen Menschen respektiert, man auch seine Religion respektieren kann.?

Auf diesen Nenner bringt eine jugendliche Teilnehmerin ihre Erfahrungen in der Abschlussrunde einer Tagung, die vom 7. bis zum 13. Juli 2010 als Three Faiths Summer School im Ammerdown Tagungszentrum im Südwesten Englands mehr als 40 Christen, Juden und Muslime zusammengebracht hatte, die voneinander und miteinander lernen wollten.

Das Thema der alle zwei Jahre stattfindenden Konferenz war in diesem Jahr Places of Worship Orte des Gottesdienstes, und man konnte eine Menge lernen über Kirchen, Moscheen und Synagogen und die Weise, wie dort Gottesdienst stattfindet. Dazu verhalfen nicht allein die drei Vorträge, bei denen ein Vertreter der jeweiligen Religion seine Tradition vorstellte, sondern auch eine Exkursion nach Bristol zu verschiedenen Stätten religiösen Lebens. Aber noch eindrücklicher war die Möglichkeit, am Gottesdienst der anderen Religion als willkommener Gast teilnehmen zu können, beim muslimischen Freitagsgebet oder dem Sufi-Dhikr, den Sabbatgottesdienst und dem abendlichen Sabbatmahl, dem christlichen Taizé-Gebet und dem Sonntagsgottesdienst. Daneben gab es in Workshops und Gesprächskreisen die Möglichkeit, mehr voneinander erfahren zu können. Und diese Gelegenheit wurde genutzt. Auch über das offizielle Programm hinaus konnten sich die Teilnehmer bei abendlichen Runden oder erholsamen Spaziergängen in den weitläufigen Parkanlagen des Anwesens befragen und austauschen. Die große Diversität der Gruppe, Christen, Juden und Muslime aus den verschiedensten Traditionen, aus dem Vereinigten Königreich, aus Deutschland, der Türkei, Zypern und Bosnien und die große Alterspanne der Teilnehmer (von 15 bis 85) machte einfach neugierig aufeinander.

Die Idee zu dieser Tagung wurde von einigen Teilnehmern der  Ständigen Konferenz zur Begegnung von Juden, Christen und Muslimen in Europa, kurz JCM Konferenz genannt in den neunziger Jahren von Deutschland nach Großbritannien geholt.

Seit 40 Jahren schon treffen sich in einer Märzwoche Christen Juden und Muslime zu diesen Konferenzen, um die jeweils fremde Religion, Kultur, Tradition und ihre Geschichte kennenzulernen. In den Jahren zuvor fand die Konferenz mit bis zu 100 Teilnehmern vornehmlich aus Deutschland und Großbritannien im Hedwig-Dransfeld-Haus in Bendorf bei Koblenz statt, seit einigen Jahren nun in der Ökumenischen Werkstatt in Wuppertal. Getragen und geplant wird die Konferenz vom Leo-Baeck-College in London, einer Ausbildungsstätte für Rabbiner des Reformjudentums, der Ökumenischen Werkstatt in Wuppertal, dem Bendorfer Forum für ökumenische Begegnung und interreligiösen Dialog und der Deutschen Muslim-Liga Bonn. In diesem Jahr traf man sich vom 15. bis zum 21. März unter dem Titel Macht und Autorität in den religiösen Traditionen.

Auch hier wechseln drei Vorträge, Diskussionsrunden, Gesprächskreise,  Workshops, gemeinsame Exkursionen und natürlich die Gottesdienste ab. Im Laufe der Zeit hat JCM wenige einfache Prinzipien entwickelt, die anscheinend den Erfolg der Konferenz garantieren: Jeder spricht für sich selbst, alles wird übersetzt (Deutsch und Englisch), nicht über, sondern miteinander sprechen, Respekt gegenüber der Integrität einer jeden religiösen Tradition, Bewahrung der eigenen religiösen Identität. Wer allgemeine Referate über religiöse Lehrmeinungen, Diskussionen um dogmatische Abgrenzungen oder politische Diskussionen erwartet, wird enttäuscht werden. Die stehen nicht im Mittelpunkt, sondern das persönliche Gespräch und die persönliche Begegnung. Nichts ist so intensiv, so lehrreich, aber auch so anstrengend und verstörend. Die Anfragen an den anderen als Vertreter einer anderen Religion fallen als persönliche Fragen über mein eigenes Verhältnis zu meinem eigenen Glauben zurück. Pauschalurteile und theologische Gemeinplätze lösen sich auf und machen neuen Erkenntnissen und Einsichten Platz. Man begreift nicht nur, was einen Christen, Juden oder Muslim ausmachen kann, sondern auch, was die eigene Religion für einen selbst bedeutet und wie stark sie trägt. Aus Steinen des Anstoßes werden Bausteine für das eigene und das gemeinsame Haus.

Konfliktfrei verläuft es nicht immer, aber alles darf und kann angesprochen werden, solange der Respekt vor dem anderen gewahrt bleibt. Die meisten Konflikte erlebt man jedoch in der eigenen Gruppe, der eigenen Religion, so wenn in den intrareligiösen Gruppen der Gottesdienst vorbereitet wird. Wie hält man es mit dem Abendmahl unter den christlichen Konfessionen, welche Funktionen und welchen Platz können Frauen beim muslimischen Gebet einnehmen, wer darf beim Sabbat-Gottesdienst aus der Thora vorlesen und wer die Predigt halten? Das Missverständnis und die unhinterfragte Annahme scheint der Normalfall zu sein, nicht nur zwischen den Religionen. JCM-Konferenzen sind nun wirklich kein Urlaub von der Realität!

Es kann davon ausgegangen werden, dass Menschen, die sich bei einer solchen Konferenz treffen, schon dialogbereit sind und nicht gerade der extremistischen Spielart ihrer Religionsgemeinschaft angehören. Aber die Teilnehmer können ihre Erfahrungen in ihre jeweiligen Gemeinschaften hineinbringen und erfahren auch eine emotionale und geistige Stärkung ihres eigenen Willens und ihrer Bereitschaft zum Dialog und zum Miteinander in Verschiedenheit. Und nicht zuletzt verhilft auch die Erfahrung, dass mein christlicher, jüdischer oder muslimischer Gesprächspartner ähnliche frustrierende Erlebnisse mit dialogunwilligen Mitgliedern der eigenen Gemeinschaft hat, zu mehr Gelassenheit.


Hier finden sie mehr Informationen und Erfahrungsberichte zu den JCM-Veranstaltungen:

JCM - Partner im Dialog

Deutsche Muslim-Liga Bonn e.V. - JCM Konferenzen

Deusche Muslim-Liga Bonn e.V. - Three Faiths Summer School

Ammerdown Centre UK

URI Voice of Youth July 2010

23.08.2010