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Bundesverwaltungsgericht: Yunus M. darf nicht in der Schule beten
In einer Einzelfallentscheidung hat das Bundesverwaltungsgericht entschieden, dass das Berliner Diesterweg-Gymnasium seinem Schüler Yunus M. untersagen darf, auf dem Gelände der Schule sein Gebet zu verrichten, wenn dieses Gebet den Schulfrieden gefährdet. Fast vier Jahre gerichtlicher Auseinandersetzung in mehreren Instanzen war vorangegangen. Mittlerweile ist der betroffenen Schüler 18 Jahre alt und steht vor dem Abitur. Ob er von der Möglichkeit Gebrauch machen wird, sich an das Bundesverfassungsgericht zu wenden, ist noch nicht bekannt.
In islamischen wie christlichen Kreisen bestand die Befürchtung, Religionen würden infolge dieser Auseinandersetzung aus dem schulischen Raum verdrängt.
Der Zentralrat der Muslime hat das Urteil kommentiert: "Das Urteil hat einer religionsfreien Zone für die Schule keineswegs das Wort geredet. Es wäre auch ein verkehrtes und für unsere Gesellschaft ein höchst abträgliches Verständnis von weltanschaulicher Neutralität, wenn daraus Verbannung von Religion aus dem öffentlichen Leben abgeleitet wird. Die Leipziger Richter haben vielmehr ein friedliches, tolerantes Miteinander der religiös oder auch nicht religiös aktiven Lehrer und Schüler gefordert. Das muss die Schule zunächst einmal selbst regeln, wozu sie in diesem speziellen Fall offenbar nicht in der Lage war. Der gerichtliche Gang und die unversöhnliche Positionen der streitenden Parteien hat hier in unnötiger Weise einem bisher weitestgehend befriedeten Bereich einen überhöhten Aufmerksamkeitsgrad geschenkt, der durch die gelebte Praxis in den meisten Schulen in Deutschland nicht gerechtfertigt ist. Der Schulfrieden wird z.B. durch vorhandene Andachtsräume, oder dass in der meisten Zeit ohnehin die Schüler zu Hause in der noch vorgeschriebenen Zeit das Gebet verrichten, gewahrt. Die streitenden Parteien – insbesondere das Rektorat - haben es versäumt, frühzeitig durch Mediation – zu dem sich die islamischen Religionsgemeinschaften jederzeit bereit erklärten - eine außergerichtliche Entscheidung herbeizuführen. Und ob der Schulfrieden für den betroffenen Schüler nun durch dieses Urteil gewahrt ist, bleibt höchst fraglich." (Quelle: http://islam.de/19336)
Der Pressesprecher des Erzbistums Berlin erklärte: "Das Gericht urteilt ausdrücklich nur für den konkreten Fall mit Verweis auf die Gefährdung des Schulfriedens. Es betont die Vereinbarkeit von Gebet an der Schule und weltanschaulicher Neutralität der Schule, es betont die im Grundgesetz garantierten Glaubensfreiheit gegenüber der 'sogenannten negativen Glaubensfreiheit von Mitschülern und Lehrkräften' und ist insofern zu begrüßen. Eine Verbannung des Religiösen aus dem öffentlichen und auch schulischen Bereich ist mit diesem Urteil jedenfalls nicht zu begründen." (Quelle: http://www.erzbistumberlin.de/medien/pressestelle/aktuelle-pressemeldungen/pressemeldung/datum/2011/12/01/statement-des-erzbistums-berlin-zum-sogenannten-gebetsraumurteil-bverwg-6-c-2010-urteil-vom-30/ ) Ähnlich bewertet eine Sprecherin der Evangelischen Kirche Berlin-Brandenburg-schlesische Lausitz das Urteil, wie der Evangelische Pressedienst auf Anfrage erfuhr: http://www.ekbo.de/1059904/
Das Bundesverwaltungsgericht bietet auf seiner Internetseite Informationen zum Urteil an: http://www.bverwg.de/enid/8d88e4fd40f4a44d8aa61af860235dc9,9bcaf47365617263685f646973706c6179436f6e7461696e6572092d093133393837093a095f7472636964092d093133333430/Pressemitteilungen/Pressemitteilung_9d.html
Bei dem Urteil handelt es sich um eine Einzelfallentscheidung. Es bleibt abzuwarten, wie andere Schulen sich in ähnlichen Fällen verhalten werden, und wie das Urteil die gesamtgesellschaftliche Debatte um Religionsfreiheit und Religionsausübung beeinflussen wird.
02.12.2011